Was ist Jugendstil?

Jugendstil ist in vielen Ländern unter verschiedenen Namen bekannt: in Deutschland und Österreich als Jugendstil, in England als Modern Style, in Frankreich als Art Nouveau und in Italien als Stile Liberty. Obwohl die Bewegung in jedem Land eigene Ausprägungen hatte, beruhte sie auf gemeinsamen Konzepten.

Entstehung des Jugendstils

Der Begriff Jugendstil ist auf die von Georg Hirth gegründete Zeitschrift Jugend zurückzuführen, die zwischen 1896 und 1940 in München erschien. Die Zeitschrift besprach zeitgenössische Kunstrichtungen und setzte sich kritisch mit dem Historismus und der akademischen Kunst auseinander.

Der Jugendstil war geprägt von einem Streben nach Schönheit, Harmonie und der engen Verbindung von Kunst und Leben. Er entstand als Reaktion auf die Industrialisierung und den Historismus des 19. Jahrhunderts, mit dem Ziel, die handwerkliche Kunstfertigkeit wiederzubeleben und Kunst zugänglicher zu machen.

Ein weiterer Aspekt war die Industrielle Revolution, die dazu führte, dass die Herstellung von Objekten, sei es Bücher, Mode oder dekorative Objekte, automatisiert und somit in größeren Maßstäben produziert wurde. Dabei ist die Qualität von Ornamenten und Produkten gesunken, da Ornamente so oft wie möglich und überall verwendet wurden. Der Jugendstil war die Antwort auf diese Entwicklung. Mit seinen Ornamenten, stilisierten Formen und klaren Linien eignete er sich besonders gut für die Druckgrafik und andere Bereiche der angewandten Kunst bis hin zur Architektur.

Kunstgattungen des Jugendstils

Jugendstil verbreitete sich dank seiner Natur, zugänglich und nützlich anwendbar zu sein, auf viele Kunstgattungen: 

• Skulptur
• Plakate und Druckgrafik
• Malerei
• Möbel- und Innenraumgestaltung
• Architektur

Die Wiener Secession und das Gesamtkunstwerk

Im Jahr 1897 wurde in Wien die Secession gegründet – eine Künstlervereinigung, die sich als bewusster Bruch mit der etablierten Kunstwelt verstand. Der Name stammt vom lateinischen secessio, was „Abspaltung“ bedeutet. Die Begründer der Secession, darunter Gustav Klimt und Koloman Moser, wollten den Künstlern eine neue Plattform biete, frei von akademischen Regeln und offen für neue Strömungen der modernen Kunst.

Eine zentrale Idee war das Konzept des Gesamtkunstwerks. Es bedeutete, dass verschiedene Kunstformen zu einer stilistischen Einheit verschmelzen sollten. Die Künstler und Architekten arbeiteten einerseits gemeinsam an einem Werk, wie an der Gestaltung eines Gebäudes. So entstanden Bauwerke, bei denen jedes Detail Teil einer durchdachten Gesamtkomposition war, häufig eigens für jedes einzelne Bauwerk entworfen.

Die Künstler der Secession verstanden sich nicht nur als Maler oder Grafiker, sondern gestalteten auch Möbel, Glasfenster, Textilien und Alltagsgegenstände. Ihr Ziel war es, Kunst in alle Lebensbereiche zu integrieren, das Leben selbst sollte zum Kunstwerk werden.

Druckgrafik und Malerei 

Die Entwicklung der Druckkunst ist den neuen Techniken wie Farblithografie zu verdanken, welche die Herstellung größerer Auflagen von detaillierten Druckgrafiken ermöglichte. Einer der bekanntesten Künstler dieser Gattung war Alfons Mucha, dessen  Plakate das Bild des Jugendstils prägten.

Die Jugendstil-Malerei war eng mit der angewandten Kunst verbunden. Künstler wie Gustav Klimt oder Koloman Moser arbeiteten interdisziplinär, das bedeutet, dass sie neben der Malerei auch Möbel, Textilien, Glasfenster und Buchillustrationen gestalteten.

 Zu den Merkmalen der Druckgrafik und der Malerei gehören:

• florale und organische Motive
• stilisierte Darstellungen von Menschenfiguren
• flächige Kompositionen mit klaren Konturen und kräftigen Farben,

Bedeutende Künstler:innen  

• Alphonse Mucha: Bekannt für seine stark stilisierten, ornamentalen Plakate.
• Henri de Toulouse-Lautrec: Bekannt für seine Darstellung des Pariser Nachtlebens und der Cabarets.
• Koloman Moser: Mitbegründer der Wiener Secession, prägte durch seine grafischen Arbeiten das Erscheinungsbild des österreichischen Jugendstils.
• Gustav Klimt: Mitbegründer der Wiener Secession, seine Werke sind bekannt für ihre Ornamente und ihren Symbolismus.
• Ilna Ewers-Wunderwald: Eine deutsche Malerin und Illustratorin, bekannt für ihre fantasievollen und detailreichen Werke.
• Carl Moll: Künstler und Förderer des Jugendstils in Österreich.
  

Architektur

Die Architektur des Jugendstils strebte nach einer Verbindung von Kunst und Alltag. Die Fassaden der Gebäude sind oft reich mit Ornamenten und Skulpturen geschmückt, und in den Linien erkennt man organische Formen. Sie versuchte, ästhetische und gleichzeitig funktionale Räume zu schaffen. 

Merkmale der Architektur:

• Organische Formen
• Dekorative Ornamente: reich mit floralen und figürlichen Motiven verzierte Fassaden
• Integration von Kunst und Handwerk: Möbel, Leuchten und andere Gegenstände wurden speziell für jedes Gebäude entworfen
• Verwendung moderner Materialien: zunehmende Verwendung von Eisen, Stahl und Glas

Zu den bedeutendsten Vertretern zählen:​

• Antoni Gaudí 
• Otto Wagner
• Henry van de Velde

Beispiele bedeutender Bauten:

• Haus Fortwängler in Freiburg
• Secession in Wien
• Hackesche Höfe in Berlin

Die Vielfalt des Jugendstils in Europa

Der Jugendstil war zwar eine europaweite Bewegung um 1900, fand aber in vielen Ländern eine eigene Ausprägung, die durch kulturelle Traditionen und gesellschaftliche Entwicklungen geformt wurde.  

Deutschland und Österreich: Jugendstil 

In Deutschland und Österreich wurde der Stil als Jugendstil bekannt, wie bereits erklärt, stammt der Name von der Zeitschrift Jugend. Charakteristisch sind elegante Linien und florale Muster. In Wien prägten vor allem die Wiener Secession und Künstler:innen wie Gustav Klimt , Elena Luksch-Makowsky und Otto Wagner das Erscheinungsbild.

Frankreich und Belgien: Art Nouveau

Art Nouveau oder die neue Kunst war in Frankreich und Belgien von einer dynamischen Linienführung mit Pflanzen- und Insektenmotiven und dekorativer und schwungvoller Natur und geprägt. Der Name erhielt den Stil der Galerie Maison de l’Art Nouveau des Kunsthändlers Siegfried Bing. Architekt:innen wie Victor Horta oder Künstler:innen wie Hector Guimard und Clara Driscoll entwarfen Gebäude, Möbel und Objekte mit lebendigen und teils asymmetrischen Linien.

Großbritannien: Modern Style

Modern Style war stark vom Arts and Crafts Movement beeinflusst, das Handwerk und soziale Nützlichkeit betonte. Künstler:innen wie Margaret Macdonald Mackintosh und ihr Mann Charles Rennie Mackintosh entwickelten einen stilisierten Zugang zum Jugendstil. Im Vergleich zum kontinentalen Europa war der Modern Style zurückhaltender und klarer geometrisch strukturiert.

Italien: Style Liberty

Style Liberty wurde nach dem Londoner Warenhaus Liberty benannt, welches kunsthandwerkliche Produkte nach Europa exportierte. Der italienische Stil war besonders dekorativ und farbig. Künstler:innen, Designer:innen und Architekt:innen, wie Galileo Chini, Rosa Genoni und Ernesto Basile, vereinten Tradition der italienischen Kunst und Innovation des Jugendstil, was Style Liberty vom Jugendstil oder Art Nouveau unterscheidet.

Jugendstil auf dem Kunstmarkt

Der Jugendstil erlebte eine relativ kurze Blütezeit zwischen etwa 1890 und 1910, gehört aber heute zu den gefragten Stilrichtungen auf dem internationalen Kunstmarkt. Werke aus dieser Epoche, sei es Malerei, Grafik, Möbel oder kunsthandwerkliche Objekte, erzielen oft hohe Preise bei Auktionen.

Der Markt für Jugendstil hat in den letzten Jahrzehnten eine Wertsteigerung erfahren. Besonders Werke prominenter Künstler wie Gustav Klimt, Alphonse Mucha oder Koloman Moser erzielen bei Auktionen Spitzenpreise. Ein Rekordpreis für ein Werk des Kunststils hat Klimts Dame mit Fächer. Das Werk wurde 2023 bei Sotheby’s London für rund 85 Millionen Pfund verkauft .

Weitere Links zum Thema:

• The Metropolitan Museum of Art: Art Nouveau
• Enzyklopädie Britannica: Art Nouveau
• Tate Museum: Art Nouveau

Quelle Titelbild: Alfonse Mucha via Wikimedia Commons